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Zum zweiten Mal beteiligen wir uns an einer Blog-Parade der PR-Doktorin Kerstin Hoffmann. Diesmal zu einem Thema, das uns Herzen liegt, gerade weil es oft nicht einfach ist.
Angebot und Nachfrage
„Kritik“ habe ich einmal gelesen „ist die einzige Sache, die jeder gerne gibt und niemand bekommen will.“ Das klingt im ersten Moment überzeugend. Ist es aber nicht. Tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwierig ist, gute Kritik zu bekommen (und genauso sehr schwer gute Kritik zu geben). Kritik – und ich spreche hier von wirklicher Kritik und nicht von irgendwelchen Meckereien – ist ein rares Gut, das man gezielt suchen sollte. Denn Kritik ist – wie man im Englischen sagt – ein „acquired taste“.
Kritiker finden
Die meisten Leute kritisieren meiner Erfahrung nach nicht gerne. Ein Beispiel: Bei doctima lasse ich Texte gerne von unseren Praktikanten und Praktikantinnen gegenlesen. Das hilft mir bei der Überarbeitung der Texte und schärft den Blick bei Einsteigern in der Redaktion. In diesen Situationen habe ich dann folgendes oft erlebt. Einen Text, den ich selbst als eher vorläufig eingeschätzt habe, bekomme ich mit lediglich ein paar Komma-Korrekturen und stilistischen Anmerkungen zurück. Frage ich dann konkret nach, wie die Korrektoren eine (eher schwache) Stelle fanden, kommt als Antwort: „Das habe ich nicht kapiert, aber das liegt an mir.“ – Nein, liegt es nicht! Wenn ein Text nicht verstanden wird, und er ist für diese Zielgruppe gedacht, dann liegt es nie am Leser, wenn er oder sie ihn nicht versteht.
Kritik fördern
Mittlerweile gebe ich unseren Praktikanten vor ihren ersten Textkorrekturen ein kleines Briefing. Da sage ich dann ganz deutlich, dass ich natürlich auch Bescheid wissen will, wenn mein Text Rechtschreibfehler aufweist oder stilistisch schwach ist. Viel wichtiger ist mir aber, ob er nachvollziehbar gegliedert ist, ob meine Argumente stichhaltig sind und ob ich sie verständlich rübergebracht habe.
Kritik sollte man ermuntern, nicht verhindern. Letzten Endes sollte man sich und andere zu guten Kritikern erziehen. Und: Gute Kritiker sollte man sich merken. Ich weiß mittlerweile sehr genau, wen ich frage, wenn es bei einem Text darauf ankommt, wenn ein Seminarkonzept noch den letzten Schliff benötigt oder wenn eine Social Media Strategie wirklich rund laufen muss.
Kritik schätzen
Kritik wird zu wenig geschätzt. Das merke ich auch immer wieder in unseren Social Media Trainings. Gerade Marketing-Experten fragen dort z. B. oft: „Wie gehe ich mit negativen Beiträgen im Blog um?“ „Ernst nehmen, als Dialoganlass wertschätzen, auf seine Berechtigung prüfen und – wenn nötig umsetzen.“, antworte ich dann meistens. Denn jeder, der kritisiert, sucht immer noch den Dialog und gibt uns eine Chance an der Kritik zu wachsen. Schlimm ist die Kritik, die uns nicht mehr erreicht.
Viele Social Media Manager verbuchen Kritik am eigenen Produkt als „negative sentiment“ und damit als schlecht. Das hat sicher seine Berechtigung, denn Kritik ist nun mal kein Lob. Aber: Kaum ein Social Media Manager erfasst in seinem Controlling negative Kritik als „Innovation“ oder „Idee zur Produktverbesserung“. Das ist aber, was Kritik eigentlich ist. Etwas, das wir wertschätzen sollten.