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Wenn Bücher erst einmal in der fünften Auflage vorliegen, dann muss man sich keine übertriebenen Sorgen um ihre Qualität machen. Michael Hallers „Das Interview“ ist so ein Buch: seit 1991 immer wieder aufgelegt, deckt alle Aspekte des Themas ab, ein Standardwerk halt.
Eingeschränkter Blickwinkel
Spannender war für mich deshalb die Frage, ob ich das Buch auch für meinen doch sehr spezialisierten Bedarf benötigen kann. Interviews sind in der Technischen Dokumentation gar nicht so selten, werden aber oft nicht so genannt: Briefing, Entwicklergespräch, Faktenrecherche – letzten Endes sind das immer Interviews.
Auch die Anforderungen an ein Interview sind in der Technischen Dokumentation teilweise andere. Investigatives Nachspüren von verheimlichten Missständen, charmant-spritziges Plaudern über die Ereignisse in der Welt, empathisches Einfühlen in das Gegenüber, das alles sind Anforderungen, mit denen wir Technischen Redakteure uns nur selten auseinandersetzen müssen. Dagegen zählen bei uns effiziente Gesprächsführung, Blick für Details, präzises Nachhaken. Interviews in der Technischen Dokumentation sind Vortext und nicht Rohtext wie bei Journalisten. Unterschiede zuhauf. Ich hoffe aber, dass auch im journalistischen Interview diese Tugenden gebraucht werden und Hallers Standardwerk mir hier weiterhilft. Denn spezialisiert auf die Bedürfnisse Technischer Redakteure gibt es leider kein Interview-Handbuch.
Erweiterter Sichtkreis
Und tatsächlich hat mich meine Vermutung nicht getäuscht. Hallers Standardwerk bietet auch Technischen Redakteuren einige Hilfestellungen. Besonders Kapitel 2 „Interviews durchführen“, Kapitel 3 „Psychologie der Interviewführung“ und teilweise auch Kapitel 5 „Rechte und Pflichten des Interviewers“ sollten Sie sich einmal näher ansehen. Allerdings muss man das Buch als Technischer Redakteur zwischen den Zeilen lesen. Ein Beispiel: Auf S. 128 erklärt Haller, dass es bei sachorientierten Interviews immer auch um die Abklärung der Kompetenz des Interview-Partners geht. Müssen wir das als Technische Redakteure auch tun? Vielleicht sollte man in gewissen Situationen dafür eine passende Frage im „Köcher“ haben, z. B. „Gibt es noch andere Leute, mit denen ich mich deswegen auch unterhalten sollte?“
Allerdings: Solche Anknüpfungspunkte für Technische Redakteure sind rar gesät. Die Welt des Journalismus und ihre Probleme sind anscheinend doch zu weit entfernt von den Fragen eines Technischen Redakteurs. Eigentlich schade, denn ein gutes Buch mit Interviewtechniken für die Technische Dokumentation täte not.
Wie steht es denn bei Ihnen? Spielen Interviews eine wichtige Rolle in Ihrer Arbeit? Welche Erfahrungen haben Sie in Recherchegesprächen gemacht? Und welche Tipps haben Sie für die Leser und Leserinnen unseres Blogs? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare.
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.
Literatur: Michael Haller [2013; 5. Aufl.]: Das Interview. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz. ISBN 978-3-86764-317-7